KU EU Gasshuku in Veldhoven

KU EU Gasshuku in Veldhoven

Geschichten von Drachen gibt es viele in der chinesischen Geschichte. Man findet sie auch heute noch an nahezu allen Eingängen in die “China Towns” vieler großer Städte. Geschichten um ihre Existenz und Eigenschaften wurden zunächst mündlich überliefert und reichen mindestens 4000 Jahre zurück, erste materialisierte Überlieferungen stammen aus der Zeit von ca. 400 v.u.Z. Der Drache (es gibt verschiedene) ist dabei Symbol für China selbst geworden. Er steht für Macht und Reichtum, fähige Menschen werden mit Drachen verglichen oder als solche bezeichnet, Drachen finden Eingang in Sprichworte (z.B. in dem Wunsch jemandes Sohn möge ein Drachen werden). Das Schriftzeichen kann auch als “kaiserlich” gedeutet werden. Kein Wunder also, dass es auch mindestens ein, wenn auch generischer, Drache zum Namensgeber einer Kata gebracht hat. Bemerkenswert ist die völlig konträre Darstellung von Drachen in der westlichen Kultur, wo entsprechende Vergleiche eher negativ konnotiert sind.

Ryûshan Kata (龍山型) stand in Veldhoven auf dem Programm. Eine Kata, die ich das erste mal seit College-Zeiten wieder in einer Gruppe geübt habe, in der seit damals verbesserten Version versteht sich.;-)  Auf chinesisch lóng oder lung, auf japanisch ryû, ryô bzw. tatsu. Das Zeichen ist auch einfach zu merken, denn es sieht tatsächlich aus wie ein breiter “krabbelnder” stilisierter Drache in der Draufsicht (竜). Das alternative Zeichen (龍) ist leider schwieriger zu merken, jedenfalls fällt es mir deutlich schwerer, in dieser Strichanordnung einen Drachen zu entdecken.

Der Bergdrache oder der Drache des Berges (山) wurde also im flachen Holland zum Thema, dafür aber bei strahlendem Sonnenschein und auf gelben Matten, zu denen ein roter Feuerdrache bestens gepasst hätte. Für die meisten Teilnehmenden ist damit eine neue Runde des “Ah, wa kata”-Spiels eröffnet, die sicher für einige Zeit Beschäftigung verspricht. Für andere erschließt sich vielleicht die Herkunft der Tensho kata, die Miyagi Chojun ins Goju Ryu eingeführt hatte. Jedenfalls ist die Kata jetzt in den KU main stream und damit in den großen Cloudspeicher eingegangen und mehr oder weniger öffentlich.

Meine College-Aufzeichnungen besagen, dass die Kata vermutlich um 1915 mit einem Kung Fu Lehrer aus Fujian nach Okinawan gelangte, der als Mitglied einer als Tee-Händler-Familie China  verließ. Seine Name war Wú Xiánguì [auch bekannt als Go Kenki], geboren 1886 in Fuzhou. Während viele Chinesen in dieser Zeit der Militarisierung nach Taiwan übersiedelten, entschied sich Wu für Okinawa, wo er in Kumemura (Nahas China Town) seinen Teehandel aufbaute und bald eine Okinawanerin namens Yoshkawa Chiru heriratete. Wu lebte mit seiner Frau und Tochter ein ruhiges Leben, widmete sich seinen Geschäften und unterrichtete abends Kung Fu. Er starb 1940 auf Okinawa im Alter von 55 Jahren.

Wu war in Kontakt mit Tang Daiji [auch bekannt als To Daiki] und wurde bald berühmt für sein Kung Fu. Er unterrichtete neben Ryushan auch Happoren, Nepai und Hakutsuru (white crane style). Sein Einfluss bezog sich auch auf die Entwicklung vieler berühmter Karatemeister dieser Zeit: Miyagi Chojun (1888-1953: Goju Ryu), Mabuni Kenwa (1889-1952: Shito Ryu), Chitose Tsuyoshi (1898-1984: Chito Ryu), Hanashiro Chomo (1869-1945: Koryu Uchinadi), Kyoda Juhatsu (1887 – 1968: To’ On Ryu) etc.

Soviel zur Ryushan und gegen die Gefahr, dass sich jemand (insbesondere ein langhaariger Potsdamer) an irgendetwas nicht erinnern kann.

Auch bei der Tonfa-Kata hat sich etwas getan und auch hier sind jedenfalls für mich ein paar Lichter angegangen was die Koordination der Waffen mit dem Körper angeht. Wenn das bei mir der Fall war, gehe ich in meiner egozentrischen Arroganz mal davon aus, dass das Potential bestand anderen die gleiche Lerngelegenheit  zu ermöglichen. Hierin liegt wohl einer der wichtigsten Punkte sogenannter “verbesserter Versionen” – die Irritation der eigenen (Wahrnehmungs- und Ausführungs-)Schemata. Diese immer wieder produktiv herzustellen ist gar nicht so einfach, denn es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Variationen funktionaler Bewegungsprinzipien, aber eine ungleich höhere Anzahl untauglicher Abwandlungen. Schon für diese vermeintlichen Kleinigkeiten hat sich das Gasshuku mal wieder gelohnt. Thank You, Sensei!

Inzwischen sind es viele alte Bekannte, die sich nun schon zum 11. mal in Veldhoven getroffen haben und doch kommen immer wieder auch neue Gesichter auf die Matte. Die Anzahl der teilnehmenden Schweden hat sich mal eben um über 300% gesteigert, Anders scheint da was in Bewegung gesetzt zu haben. Die Art des Austauschs ändert sich immer mal wieder, aber es gibt immer Diskussionen über technische Ausführungen, Schwerpunkte beim Lehren, Zielperspektiven der Übung, den Weg dorthin und auch immer (die bei mir eher unbeliebten) politisch-strategischen Gesprächsanteile. Über die Jahre ist – so meine ich jedenfalls – eine Angleichung des Inhalts zu beobachten, aber eine Zunahme der Varianz der sprachlichen Mittel. So ist es wohl, wenn man nicht regelmäßig (oder einfach zu selten) miteinander ins Gespräch kommt und nicht auf gemeinsam ausgehandelte Begriffe und deren Bedeutungsumfänge zurückgreifen kann. Mit dem konkurrierenden, sich aber auch ergänzenden Spielen mehrerer Sprachspiele gehen nun leider mehrere Gefahren einher, 1. dass das “Spielen-Können” eines speziellen Sprachspiels mit Erfahrung, Einsicht und Erkenntnis verwechselt wird und 2. dass Sprachspiele wegen ihrer Nähe zu etablierten Sprechweisen oder wegen ihre stärkeren Präsenz (Lautstärke, Dauer, Wiederholung), nicht aber wegen ihrer Fähigkeit bei der Suche nach Erkenntnis hilfreich zu sein, etabliert oder gefestigt werden. Was da hilft ist leider nur anstrengende Kommunikation oder Abgrenzung, die letztlich zu (zunächst sprachlicher und dann sozialer) Isolation, also Abspaltung führt. Ok, Kommunikation also. Insofern haben mich die vielen Gespräche, die neuen Begegnungen und Freundschaften, die Entdeckung neuer Facetten an alten Bekannten und die Offenheit gegenüber den Teilnehmenden, die ich beobachten konnte, besonders gefreut.

Herzlichen Glückwunsch an alle Prüflinge, insbesondere diejenigen die durch das (nyumonsche) Tor geschritten sind … und damit auf in neue Episoden des gleichen Abenteuers!

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