Überschrift gesucht oder Gärtringen, 17./18. Oktober 2015

Überschrift gesucht oder Gärtringen, 17./18. Oktober 2015

„Der Fortschritt und das Immerwehrende“, „Von Schein und Sein“, „Wozu dient ein Seminar?“ … Alles mögliche Überschriften für die Reflexion dieses Seminars. Es war ein kleines, eher familiäres Event – trivial und tiefgründig zugleich.

Der vierte Satzanfang ist gelöscht, das ist der fünfte … irgendwie ein Symptom, das sich immer beim Schreiben in diesem Blog bemerkbar macht. Für wen entsteht dieser Text eigentlich; an wen wende ich mich? Wende ich mich überhaupt an irgendwen? Ist das ein Selbstgespräch? Die Möglichkeit ein wenig Ordnung oder Akzentuierung in das – nur gelegentlich nach außen hin abgrenz- und verschweigbare –  Chaos in meinem Inneren zu bringen? Die Suche nach einer ruhigen Minute, in der man über den eigenen Weg nachdenken kann und es feiger Weise in Seminarreflexionen (von sich wegweisend) tut? Vermutlich ein wenig von allem und noch mehr.

Aber der Reihe nach … Freitagabend, Steve holt mich vom Flughafen ab und los geht’s ins Training. Steve und Sabrina scheinen es zu genießen mal nur mittrainieren zu können. Schnell ist klar, hier passiert etwas, hier wird gelernt, auch und vor allem, wenn ich nicht da bin. Thema: Basics und Padwork. Wir kratzen natürlich nur an der Oberfläche, aber immerhin, es kommen ein paar essentielle Themen zur Sprache und ich hoffe, man und frau konnten etwas mitnehmen.

Einschub: Es ist eben doch schräg, seinen eigenen Lehrgang zu kommentieren … ghost writer oder Gastautor(in) gesucht! Einschubende. Die Ausschreibung – ja, ich habe sie gelesen! – kündigte  tegumi, keri waza und bo jutsu an. In Sachen tegumi und bo jutsu … business as usual. Im großen Thema keri waza bestand der Wunsch, sich um einzelne Tritte, nicht die korrespondierende nyumon kata zu kümmern. Mal was anderes.  Wir haben dann in jeder der zwei Einheiten genau einen Tritt behandelt. Ich bin nicht sicher, ob das die Intention der Wünschenden war, aber es war das, was in Rückmeldungen am meisten aufgegriffen wurde und mir am merkwürdigsten vorkam und worauf sich auch die Überschriftensuche ganz oben bezieht.

Eigentlich waren diese Einheiten mehr „Trainingseinheiten“ so wie ich Sie in meinem dojo geben würde, sozusagen seminaruntypisch. Wir haben 2h mae geri  und 2h low kicks „gepfeilt“. Ein Seminar auf dem 2h mae geri geübt wird … klingt fast so wie Fauststöße in Bahnen eine Turnhalle hoch und runter laufen und dann die Handhaltung korrigiert zu bekommen. „Meine Fresse, war das öde.“ wäre eine erwartbare Reaktion. Und irgendwie zuckt man doch dabei auch zusammen. War es nicht diese, häufig genug mit wenigstens im Rückblick deutlich erkennbaren, engen Grenzen in den Fähigkeiten und dem (nicht nur) technischen Verständnis des vermeintlichen Lehrers einhergehende Sinnfreiheit und Selbstbezogenheit, die leider häufig der Erziehung von Jüngern, Gefolgsleuten, Untertanen, vielleicht der Machterhaltung diente, von der wir irgendwann mal Abstand genommen hatten, uns auf die Suche gemacht hatten, nach mehr – Umfang, Sinn und Tiefe?

Es ist jedenfalls eine Weile her, dass ich ein Seminar gegeben habe, auf dem sich so detailliert mit einer Technik auseinandergesetzt wurde. Vielleicht kommt es also nur gut an, weil es mal was anderes ist. Aber das Zucken bleibt …  Gleichzeitig ist es doch irgendwie beruhigend und wünschenswert, dass es vielleicht nicht nur ein Retro-Effekt ist, denn es sind nun mal die Details, die den Unterschied machen. Das Verbessern von Kleinigkeiten, die zweckfreie Arbeit an ihnen (in der angemessen gewählten Haltung) ist es, was die Übung zur Übung macht und vom Sport unterscheidet. Vielleicht ist es auch als Zeichen deutbar, für das Durchlaufen der ersten / einer weiteren Runde im Kreis – we get to where we started from, just to understand it for the very first time?  Ist dann also mein Zucken nur Ausdruck meines eigenen Unvermögens zu erkennen, dass es für die Übung ganz gleich ist, um welche Technik es sich handelt, weil man ja eben alles zur Übung machen kann – auch Bahnen von Fauststößen in einer möglichst tiefen “Vorwärtsstellung”. Oder ist es eher Ausdruck einer sich schleichend etablierenden Seminarpraxis, deren Problematik sich in diesem Zucken äußert?

Nun ja, der erleuchtete Leser mag urteilen. Ich begnüge mich mit dem Feststellen meiner (plakativ provozierend inszenierten) Verwunderung, die vielleicht den einen oder die andere zum Entheddern dieses Wirrwarrs anregt.

Abspanngemurmel: Welchen Sinn hat nur dieser Blog? Kann sich das mal jemand hermeneutisch interpretativ ansehen? Ich befürchte, da kommt Therapiebedarf des Autors zum Vorschein … Bis zur nächsten Gruppensitzung!

 Gärtringen, Oktober 2015

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