McCarthy Hanshi
Jedem, der seit längerer Zeit an Kampfkunst interessiert ist, ist der Name Patrick McCarthy ein Begriff. Man kennt ihn als Autor verschiedener erstklassiger Bücher und Aufsätze über Geschichte, Entwicklung und Ausübung von Karate, als international anerkannten Experten auf seinem Gebiet, als Lehrer auf theoretischen wie praktischen Seminaren über altes karate und kobudô. Sein Name ist aus der heutigen Kampfkunstwelt nicht mehr wegzudenken und seine Forschung und Erfahrung haben die Entwicklung des karate schon heute nachhaltig beeinflusst.
Patrick McCarthy wurde am 4. Dezember 1954 in Kanada geboren. Seine Begeisterung für Kampfkunst war bereits in den 60er Jahren ausgeprägt und er sammelte erste Erfahrungen im chinesischen Wu Shu. Nachdem er auch in verschiedenen anderen Schulen (unter anderem jûjutsu und karate) Erfahrungen sammelte, führte ihn sein Weg schließlich in den 70er und 80er Jahren zu den offenen nordamerikanischen Meisterschaften, bei denen er schnell zu den Top 10 in den Kategorien Form (kata), Waffen (kobudô) und freies Kämpfen (kumite) gehörte. Es schloss sich eine Serie von Erfolgen an, die durch 2 nordamerikanische, 3 nationale und über 300 weitere Titel gekennzeichnet war. Schon während dieser Zeit träumte Sensei McCarthy davon, in die Fußstapfen der alten okinawanischen Meister, wie Funakoshi Gichin (Begründer des Shôtôkan), Miyagi Chôjun (Begründer des Goju ryû), Mabuni Kenwa (Begründer des Shitô ryû) und anderern zu treten, die dem Dai Nippon Butokukai (DNBK) angehörten.
Mitte der 70er Jahre, also während seiner erfolgreichen Wettkampfjahre, traf Patrick McCarthy auf Richard Kim (1917-2001), den ‘Harvard Professor der Kampfkünste’, dessen Schüler er 1977 wurde. Als Träger eines 9. Dan (verliehen vom Dai Nippon Butokukai) betonte Kim Sensei die Bedeutung des Studiums der theoretischen Aspekte des karatedô. Nicht zuletzt durch seine Anregung unternahm Patrick McCarthy tiefgreifende Forschungen über die Geschichte und Philosophie des karate, die bis zum heutigen Tage andauern.
Nachdem Sensei McCarthy, zu dieser Zeit als 5. Dan graduiert, mehrere Jahre lang ein Mitglied des DNBK war, zog er 1985 nach Japan, wo er sich in die Erforschung des Budô und dessen anthropologischen, ethischen und technischen Theorien vertiefte. Von nun an stand er in direktem Kontakt mit dem DNBK, intensivierte sein Training, lernte japanisch und knüpfte wichtige Beziehungen zu verschiedenen Budô-Lehrern. Nachdem er außergewöhnliche Empfehlungsschreiben von Mentoren wie Kinjô Hiroshi Hanshi (ehemaliger Vorsitzender der Karatedô-Sektion des DNBK), Matayoshi Shinpô Hanshi (Vorsitzender der karatedô-Sektion des DNBK in Okinawa) oder Matsushita Kyôchô Hanshi (wurde später Vorsitzender der Karatedô-Sektion des DNBK) erhielt, graduierte Sensei McCarthy schließlich vor einer Komission des DNBK zum 6. Dan Karatedô. Zu dieser Zeit hatte noch kein anderer Nichtjapaner eine Prüfung vor dem DNBK bestanden. 1989 eröffnete McCarthy mit Unterstützung seines Lehrers Kinjô Hiroshi in Fujisawa [Kanagawa, Japan] sein eigenes dôjô, den Koryûkan.
Dank seiner beispiellosen Hingabe an die Kampfkünste, deren Erforschung und Training und seinem Engagement, das er bei der Ausfüllung verschiedener offizieller Funktionen des DNBK in den folgenden 5 Jahren an den Tag legte, wurde er erneut eingeladen, eine Prüfung abzulegen. Nachdem er die strengen schriftlichen und praktischen Kriterien vor einem Komitee des DNBK erfüllen konnte, erhielt er im April 1994 seine Kyôshi-Lizenz und den 7. Dan Karatedô. Wiederum war es das erste Mal in der Geschichte des DNBK, dass einem Nichtjapaner diese Anerkennung zuteil wurde.
Nachdem ihn seine Forschungen nicht nur nach Japan, sondern auch nach Taiwan, Korea, Hong Kong und in die Volksrepublik China (unter anderem Fújiàn und Hénán), Indien und Ägypten geführt hatten, verfügte McCarthy Sensei über beste Voraussetzungen, um Nachforschungen über die ‘Bibel des Karate (bubishi)’ anzustellen, die 1995 in einer Veröffentlichung gipfelten, die eine Übersetzung und verschiedene Kommentare zum übersetzten Text enthält. Während dieser Zeit war es ihm auch möglich, mit vielen weiteren bedeutenden Quanfa- und Karatemeistern zu trainieren und sie über ihre Kampfkunst zu befragen.
Nach einer Zeit von zehn Jahren in Japan, in denen er auch seine Frau Yuriko McCarthy kennen lernte und heiratete, folgte er einem Ruf des Australischen College of Natural Medicine nach Brisbane, wo er mit seiner Familie wohnt und dem von ihm entworfenen, staatlich akkreditierten Studiengang zur Ausbildung von qualifizierten Kampfkunstlehrern, vorstand. Inzwischen ist dieser Studiengang leider ausgelaufen.
Seit 1996 arbeitet McCarthy Sensei an der Etablierung der IRKRS auf internationaler Ebene, die sehr viel demokratischer und progressiver ausgerichtet ist, als der DNBK. Aus verschiedenen Gründen brach McCarthy Kyôshi bald jede Verbindung zum DNBK ab. Er stand in einer engen Lehrer-Schüler-Beziehung zu seinem Lehrer und Mentor Kinjô Hiroshi Hanshi (1919-2013) und pflegt außerdem enge Kontakte zu vielen offenen japanischen, okinawanischen und chinesischen Organisationen und Lehrern.
Im Jahre 2005 wurden McCarthy Sensei durch seinen Lehrer, Kinjô Hiroshi, der 8. Dan und eine Hanshi-Lizenz verliehen. Heute hält McCarthy Hanshi einen 9.Dan – ebenfalls von Kinjô Hiroshi Hanshi verliehen. Er arbeitet heute als Autor, unterrichtet internationale Seminare und leitet die IRKRS.